Meine Persönliche Erklärung zum Klimapaket

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
liebe Genossinnen und Genossen,

 

nachdem ich für unsere Verhandlungsführer von Donnerstag auf Freitag die ganze Nacht das Thema Erneuerbare Energien im Kanzleramt mit der CDU/CSU und Minister Altmaier verhandelt habe, war ich natürlich erschöpft und doch ganz froh, in Fragen, in denen wir seit Monaten zu keinerlei Einigung gekommen sind, endlich Ergebnisse erreicht zu haben, auf die ich weiter unten eingehen werde. Mir war zudem auch klar, dass wir das Klima nicht im Verlauf einer Nacht retten können – zumal CDU/CSU teilweise völlig unterschiedliche Ansätze als die SPD haben.

 

Die Reaktionen auf das Klimaschutzpaket sind nun vielfältig. Vielen geht es nicht weit genug, einige sehen uns auf dem völlig falschen Weg. Häufig bleiben die Kritiker*innen dabei an der Oberfläche, wenn sie beispielsweise einen „wirkungsvollen“ CO2-Preis fordern, der eine „Lenkungswirkung“ entfalten soll. Was würde das konkret für Millionen Menschen bedeuten? Wer Klimaschutz ausschließlich über den Preis von CO2 erreichen will, sorgt dafür, dass vor allem Menschen mit wenig Geld ihr Verhalten ändern und Verzicht üben müssen, solange sie keine klimaneutralen und bezahlbaren Alternativen haben. Sie können sich nicht mal eben ein neues Auto oder eine moderne Heizung kaufen. Wenn Einige jetzt von unnützen Ausgaben in Milliardenhöhe sprechen, dann sind es meistens die, die sich selbst leicht einen Umstieg leisten können und auf eine starke solidarische Gemeinschaft nicht angewiesen sind. Natürlich ist es richtig, Ressourcenverbrauch einen Preis zu geben und auch ich hätte mir einen Einstieg damit im Jahr 2020 gewünscht. Wenn jetzt einige Wissenschaftler dieses Instrument als Allheilmittel preisen, so möchte ich das eindeutig hinterfragen. Auf europäischer Ebene hat es im Energiesektor Jahre gedauert, bevor der Emissionshandel, der CO2 einen Preis gab, einigermaßen funktionierte. Und auch hier müssen z.B. die riesigen Transformationsprozesse in den europäischen Kohleregionen mit öffentlichen Geldern und Investitionen begleitet werden, wenn es nicht zu sozialen Verwerfungen kommen soll. Hier würde ich auch nicht die Entwicklungen z.B. in der Solarbranche dagegen stellen. Auch hier hätte der Staat handeln müssen. Was ich ausdrücken möchte: an dieser Frage werden sehr grundsätzliche Unterschiede im politischen Ansatz sichtbar. Für mich kann die sozial-ökologische Wende nur durch eine starke Gemeinschaft und einen sehr handlungsfähigen Staat gelingen!

 

Nach meiner Einschätzung haben wir diesbezüglich wichtige Schritte vereinbart: Insbesondere bei Verkehr und Wohnen treiben wir den Umstieg auf klimaneutrale Formen der Mobilität und der Wärmeversorgung voran und achten dabei darauf, dass wir die Bürgerinnen und Bürger nicht überfordern. Mobilität wie auch Wohnen muss bezahlbar bleiben. Dafür werden Milliarden bereitgestellt. Ich möchte hier ganz bewusst zahlreiche Einzelmaßnahmen aufführen, weil sie in der Berichterstattung so nicht vorkommen.

 

Im Verkehrssektor wird die Schiene als Rückgrat einer Mobilitätswende gestärkt. Die Deutsche Bahn wird in den kommenden 10 Jahren zusätzlich mit 10 Mrd. Euro Eigenkapital unterstützt. Das ist eine deutliche Abkehr von den Privatisierungsträumen der letzten 20 Jahre und ein wichtiger Schritt zur Anerkennung der Mobilität als Element der Daseinsvorsorge. Durch die Absenkung der Mehrwertsteuer für Bahntickets wird es erste Preisanreize geben, während der unfaire Wettbewerb mit dem Luftverkehr bekämpft wird und Dumpingpreise beim Fliegen angegangen werden. Außerdem erhöhen wir die Maut für Lkws, die viel CO2 ausstoßen.

 

Die Antriebswende beim Auto und bei Nutzfahrzeugen wird nach vielen Jahren des Stillstands endlich eingeleitet. Bis 2030 wird der Staat den Bau von 1 Million öffentlicher Ladepunkte für E-Fahrzeuge finanziell fördern und damit bei der Elektromobilität das „Henne-Ei-Problem“ lösen. Wir werden den Gebrauchtwagenmarkt für E-Fahrzeuge ankurbeln, in dem wir die Besteuerung von reinen Elektro-Dienstwagen mit einem Preis von unter 40.000 Euro auf 0,25 Prozent absenken. Die Kaufprämie für E-Fahrzeuge wird verlängert und für Autos mit einem Preis unter 40.000 Euro angehoben. Davon profitieren auch Käuferinnen und Käufer, die sich keine großen Autos leisten können. Wir fördern außerdem die Entwicklung von alternativen klimaneutralen Kraftstoffen wie Wasserstoff. Bei der Kfz-Steuer muss zukünftig für Fahrzeuge, die viele Klimagase ausstoßen, mehr gezahlt werden als für saubere Autos. Wer große Benziner- oder Diesel-SUVs fährt, wird zukünftig mehr belastet. Besitzerinnen und Besitzer von sauberen Fahrzeugen werden demnach finanziell begünstigt.

 

Damit die energetische Sanierung von Gebäuden weiter vorankommt, werden wir neben den bestehenden Zuschussförderprogrammen den klimagerechten Umbau von privat genutztem Eigentum steuerlich fördern. Um den Umstieg von der Ölheizung auf eine erneuerbare Wärmeversorgung zu unterstützen, wollen wir eine Austauschprämie einführen.

 

Klimaschutz passiert in den meisten Fällen vor Ort – in den Städten und Gemeinden, dort, wo die Menschen leben, arbeiten, mobil sind. Dafür machen wir den ÖPNV attraktiver, in dem wir unsere Idee für ein 365 Euro-Ticket für Busse und Bahnen vorantreiben. Wir werden als Bund zehn weitere Städte in Modellprojekten bei der Einführung unterstützen. Mit der Jugendnetzkarte sind wir in der Region Hannover einen wichtigen Schritt gegangen. Die Region sollte sich jetzt als Modellregion für weitere Schritte bewerben.

 

Gleichzeitig wird dafür gesorgt, dass neue Infrastruktur für Straßenbahnen, U-Bahnen und Busse mit zusätzlichen Mitteln im Rahmen des Gemeinde- und Verkehrsgesetzes (GVFG) gebaut werden können. Zudem werden die Mittel für den Regionalverkehr in den nächsten Jahren kontinuierlich erhöht. Gleichzeit stärken wir die energetische Stadtsanierung im Quartier. Dabei werden wir auch umweltfreundliche Mobilitätskonzepte, interkommunale Konzepte oder Maßnahmen der Wärmenetzplanung fördern.

 

Klar, ohne die notwendigen Kompromisse mit unserem Koalitionspartner wären einige Ergebnisse noch ambitionierter ausgefallen. So haben CDU und CSU bis zum Schluss bei der Windenergie darum gekämpft, Abstandsregelungen wie in Bayern bundesweit einzuführen. Das hätte den Ausbau der Windenergie und damit der Erneuerbaren Energien insgesamt deutlich eingeschränkt. Das hätte nicht nur viele tausende Arbeitsplätze in der Windkraftindustrie gekostet, sondern auch den Kohleausstieg und damit die Einhaltung der Klimaziele nahezu unmöglich gemacht. Das konnten wir verhindern, weil unsere Verhandlungsführer bis zum Schluss hart geblieben sind.

 

Wir haben jetzt 1000 Meter Abstand vereinbart und dafür gesorgt, dass Kommunen eine Beteiligung am Betrieb von Windrädern erhalten können. Damit haben wir gegen den Willen der Union durchgesetzt, dass die Windenergie weiter ausgebaut werden kann und nicht zum Erliegen kommt. Länder und Kommunen können außerdem kleinere Abstände zulassen. Kommunen erhalten dafür zusätzliche finanzielle Anreize. Der Windausbau im Süden wird mit einer Regionalisierungsquote angereizt werden. Das Ausbauziel der Windenergie auf See haben wir von 15 Gigawatt auf 20 Gigawatt bis 2030 angehoben. Die bisherigen Beschränkungen bei der Photovoltaik (PV-Deckel) entfallen ganz. Auch die Rahmenbedingungen für Mieterstrom werden wir so gestalten, dass der selbst produzierte Strom einfacher als bisher selbst genutzt werden kann. So können wir unser Ziel, 65 Prozent Erneuerbare Energien bis 2030, erreichen.

 

Ebenso kann auch der Kohleausstieg umgesetzt werden, ohne Versorgungsicherheit und Preisstabilität zu gefährden. Die von der SPD durchgesetzte Kohlekommission hat einen Vorschlag entwickelt, wie wir parallel zum Atomausstieg auch aus der Kohle aussteigen können. Umweltverbände, Gewerkschaften, Industrie und gesellschaftliche Gruppen aus den betroffenen Regionen haben sich auf einen gangbaren Weg geeinigt. Bis zum Jahr 2030 sollen die im Markt betriebenen Kraftwerkskapazitäten für Braunkohle auf 9 Gigawatt und für Steinkohle auf 8 Gigawatt reduziert werden. Das werden wir jetzt umsetzen. Dieser Kompromiss darf nicht gefährdet werden. Das Kohleausstiegsgesetz muss jetzt kommen.

 

Mit dem Klimaschutzgesetz schaffen wir erstmals den gesetzlich verbindlichen Rahmen, wonach jedes Ministerium seine jährlichen Reduzierungsziele darlegen – und gegebenenfalls bei Verfehlung nachsteuern muss. Das Klimakabinett wird dauerhaft eingerichtet und erhält die Aufgabe, jährlich die Wirksamkeit, Effizienz und Zielgenauigkeit der Maßnahmen der Ministerien zu überprüfen. Erfüllt ein Sektor sein gesetzlich vorgesehenes Ziel nicht, muss der zuständige Ressortminister dem Klimakabinett innerhalb von drei Monaten ein Sofortprogramm zur Nachsteuerung vorlegen. Das Klimaschutzgesetz verpflichtet auch künftig jede Bundesregierung, kontinuierlich die Einhaltung der Klimaziele zu überprüfen und, wenn nötig, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen. Das ist das eigentliche Herzstück des Pakets, das für kontinuierliche Transparent sorgt und jede Regierung bei Zielverfehlung unter Druck setzt. Noch vor wenigen Wochen bezeichneten Vertreter von CDU/CSU dieses Gesetz als Planwirtschaft. Als ich mit Stephan Weil bereits im März 2018 dieses Vorhaben in den Koalitionsvertrag hinein verhandelt habe, wusste ich, wie schwer die Durchsetzung wird. Ich bin sicher, ein Meilenstein ist erreicht, wenn der Bundestag – wie ebenfalls im Koalitionsvertrag vereinbart – dieses Gesetz noch 2019 verabschiedet.

 

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
liebe Genossinnen und Genossen,

klar ist, die eigentliche Arbeit beginnt erst jetzt. Es gilt, die Vereinbarungen in Gesetze zu gießen und zu beschließen. Wir haben einen sehr wichtigen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Noch nie hat eine Koalition ein derart umfassendes Klimaschutzprogramm vorgelegt. Grüne und FDP hatten in den Sondierungsgesprächen für eine Jamaika-Koalition Anfang 2018 für ein vergleichbares Klimaschutzpaket nicht die Kraft. Es ist ein guter erster Anfang auf dem Weg zu einem sozial-ökologischen Umbau unserer Gesellschaft. Zudem wird die deutsche Wirtschaft zukunftsfähig gemacht. Mit einem milliardenschweren Investitionspaket werden Arbeitsplätze gesichert und neue geschaffen.


Doch klar ist auch: Der Weg zu einem klimaneutralen Deutschland ist noch lang. Weitere Schritte werden folgen. Dazwischen wird es auch immer wieder Wahlen geben mit Mehrheiten, die möglicherweise neue Perspektiven bieten. Auf diesem Weg wird die SPD immer für soziale Gerechtigkeit sorgen, damit alle diesen Weg gehen können. Denn in einer Demokratie kann nur derjenige erfolgreich sein, der die Menschen auf seinem Weg mitnimmt.

Wenn ich das Paket alleine hätte schnüren können, wäre es sicher an der einen oder anderen Stelle anders ausgefallen. Aber so funktioniert die Demokratie nicht. Das Paket enthält nach meiner festen Überzeugung die notwendigen Instrumente, die wir für die Einhaltung der Klimaziele benötigen und gleichzeitig den Zusammenhalt der Gesellschaft wahren. Deshalb werde ich für dessen Umsetzung in den kommenden Wochen und Monaten werben und natürlich mit Fridays for Future, den Umweltverbänden und vielen anderen gesellschaftlichen Gruppen für die kontinuierliche Verbesserung eintreten.

Die Eckpunkte zum Klimaschutzprogramm können unter folgendem Link eingesehen werden: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/997532/1673502/768b67ba939c098c994b71c0b7d6e636/2019-09-20-klimaschutzprogramm-data.pdf?download=1

Herzlich,
Ihr/Euer Matthias Miersch